W. C. Röntgens biographische Analogie zum Bildungsgang von Albert Einstein

von G.O. Mueller

Aus der Dokumentation von G.O. Mueller Kapitel 2 – Fehlerkatalog
V: Entstehungs- u. Erhaltungsmotive / Fehler Nr. 2 (English Version…):

W. C. Röntgens biographische Analogie zum Bildungsgang von Albert Einstein

Wenn eine völlig haltlose Theorie in der Wissenschaft durchgesetzt und aufrechterhalten werden kann, müssen die Entstehungs- und Durchsetzungsmotive irrational sein.
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G. Barth 1987 hat die Frage untersucht, wie eine derart inkonsistente Arbeit wie die von Albert Einstein (Zur Elektrodynamik bewegter Körper) 1905 in den renommierten „Annalen der Physik“ erscheinen konnte, und hat die damals entscheidenden Personen in der Redaktion des Blattes betrachtet. Er sieht die Hauptverantwortung bei W. C. Röntgen, der 1901 als erster Physiker den Nobelpreis erhalten hatte und folglich eine Autorität war.

Röntgen habe zwei Eigenschaften gehabt (S. 15): er verstand nichts von Mathematik; und seine Biographie wies überraschende Parallelen zu Albert Einsteins Werdegang auf. Röntgen wurde wegen einer aufsässigen Karikatur im Gymnasium in Utrecht von der Schule verwiesen. „Bei einer Externistenprüfung fiel Röntgen durch. Durch Zufall erfuhr er, daß man am Polytechnikum in Zürich ohne Matura studieren könne. Anders als Einstein bestand er erst mit 23 Jahren das Diplomexamen, allerdings nicht als Fachlehrer, sondern als Maschineningenieur.“ Eine Vermutung über einen eher indirekten Kontakt Röntgens mit der Familie Einstein durch den Erwerb von elektrischen Geräten für seine physikalischen Versuche ab 1900 in München bei der Fabrik für elektrische Geräte von Albert Einsteins Vater in München kann Barth (S. 16) nicht belegen, zumal die Familie Einstein bereits 1894 nach Mailand umgezogen war. – So bleibt als ein mögliches plausibles Motiv für Röntgen, der sich selbst nicht als Theoretiker gesehen hat, und dessen starke Seite die Mathematik wohl nicht gewesen ist, dem jungen Wissenschaftler aus Bern, der wie er einen schwierigen Bildungsweg bewältigt hatte, eine Chance zur Veröffentlichung in den „Annalen“ zu geben, ohne die Bedeutung und die mathematische Richtigkeit der Arbeit zu beurteilen.

Die Wissenschaftsgeschichte kann diese plausible Vermutung von G. Barth anhand der Quellen nachprüfen und verwerfen oder bestätigen, wenn sie sich einmal aus dem Devotionalienhandel und dem Persönlichkeitskult um unseren neuen Kopernikus-Galilei-Newton verabschiedet und sich auf Wissenschaftsgeschichte als eine kritische Wissenschaft besinnen sollte. Unkritisch-lobhudelnde sogenannte Wissenschaft und Wissenschaftsgeschichte haben wir nun lange genug ertragen: es fallen ihnen seit Jahrzehnten keine neuen Jubel-Hymnen ein.

Es wäre nur als sympathischer Zug an Röntgen zu sehen, wenn die Forschung die Barth’sche Vermutung bestätigen sollte, daß er in Kenntnis gewisser biographischer Analogien einen jungen Forscher uneigennützig fördern wollte. Die Frage eines Kontakts mit der Einstein-Firma in München würde hierbei auch keine große Rolle spielen. Grundsätzlich sollte es für jeden Forscher möglich sein, sich öffentlich frei und unzensiert zu äußern (so z.B. auch für Kritiker von Theorien). Röntgen hat mit der erst seit 1920 (Bad Nauheim) beginnenden Unterdrückung der Theoriekritik in der Physik nichts zu schaffen gehabt. Und für die Qualität der veröffentlichten Arbeiten haften grundsätzlich nur die Autoren selbst.

Barth, Gotthard: Der gigantische Betrug mit Einstein : historisch und mathematisch. Zwingendorf: Verl. Wissen im Werden, 1987. 96 S. (Wissen im Werden. 1987. Sonderband 8.)

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2 Antworten zu “W. C. Röntgens biographische Analogie zum Bildungsgang von Albert Einstein”

  1. Helmut Hille

    Einstein 1919 in einem Interview für die Times:
    „Seit dem griechischen Altertum ist es wohlbekannt, dass es zur Beschreibung der Bewegung eines Körpers eines zweiten Körpers bedarf, auf welchen die Bewegung des ersten bezogen wird. Die Bewegung eines Wagens wird auf den Erdboden bezogen, die eines Planeten auf die Totalität der sichtbaren Fixsterne. In der Physik nennt man den Körper, auf den man die Vorgänge räumlich bezieht, Koordinatensystem. Es können z. B. die Gesetze der Mechanik von Galilei und Newton nur unter Benutzung eines Koordinatensystems formuliert werden.“ Nun ist ein Körper kein Koordinatensystem sondern ein realer Gegenstand, dem ein Koordinatensystem von einem Beobachter gedanklich zugeordnet werden kann und auf das er dann die Bewegung eines Objekts bezieht. So richtig ansonsten Einsteins Aussage ist, so fällt auch hier seine fehlende Unterscheidung von realen und gedanklichen Dingen auf, was für ihn typisch ist und die sein Problem ausmacht.

    Nun die entscheidende Frage:
    1919 sah Einstein richtig, dass es „Ruhe“ und „Bewegung“ nur im Verhältnis zu einem Koordinatensystem geben kann – aber durch was kann man dann ohne die Benutzung eines weiteren Koordinatensystems von der „Ruhe“ des „ruhenden Systems“ wissen??? Warum stellt niemand solche entscheidenden Fragen? An dieser Unmöglichkeit scheitert doch schon Einsteins ganze Theorie!
    Ganz abgesehen davon, dass er 1905 zuerst selbst ganz richtig schrieb, „daß der absoluten Ruhe keine Eigenschaften der Erscheinungen entsprechen.“ Weil Ruhe und Bewegung eben nur in Bezug zu einem Koordinatensystem existieren.

  2. Peter Rösch

    **Wenn eine völlig haltlose Theorie in der Wissenschaft durchgesetzt und aufrechterhalten werden kann, müssen die Entstehungs- und Durchsetzungsmotive irrational sein.** – Das ist einer der Sätze G.O. Müllers, hinter die gleich mehrere Fragezeichen zu setzen sind. Aber sei’s drum.

    Hier soll’s um was anderes gehen. **Anders als Einstein bestand er erst mit 23 Jahren das Diplomexamen, allerdings nicht als Fachlehrer, sondern als Maschineningenieur.** Es besteht bei dieser Aussage Ergänzungsbedarf. Lesen wir nach bei einem Physiker, der jahrelang in Berlin im unmittelbaren Umfeld Einsteins wirkte. In seinem Büchlein „Die Relativitätstheorie“ schreibt Wilhelm Westphal auf S. 17: „Albert Einstein . . . studierte am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich Physik und Maschinenbau (!).“ Es kann sich, auf der Basis einer eher schmalen Schulbildung (die „Matura“ war kein Abitur) tatsächlich nur um ein Lehramtsstudium mit sogenannter „kleiner Fakultas“ und ohne wissenschaftlichen Anspruch handeln, also für die Unterrichtung der unteren Berufsschulklassen. Das Polytechnikum hatte damals kein Recht zur Vergabe von Promotionen. Es ist zu vermuten, daß hier Einstein einen Weg sah, eventuell doch noch – wenn auch ohne „höhere Weihen“ – in den elterlichen Elektrobetrieb einzusteigen. Die Elektrotechnik war damals noch nicht eigenständig und zählte zum Maschinenbau.
    Einstein bestand seine Abschlußprüfung, in scharfem Kontrast zu Röntgen, mit mäßigem Erfolg. (Ein besonders zu beleuchtendes Kapitel wäre, warum eigentlich Einsteins Braut Mileva Maric mit ihrer durchaus ausreichenden Prüfungsleistung dann doch nicht bestanden hat.) Röntgen dagegen schloss seine Ausbildung glänzend ab, um dann unter dem Patronat von Kundt ein wissenschaftliches Physikstudium aufzusatteln. Von einer mathematischen Minderleistung kann bei Röntgen, übrigens wiederum in bezeugtem (Hinweise von Reichinstein, Hopf, u. a.) Unterschied zu Einstein, nicht die Rede sein. – Nun wird’s besonders interessant: Derselbe Wilhelm Westphal, der den Fingerzeig mit Einsteins Maschinenbaustudium gab, nennt in seiner „Physik – ein Lehrbuch“ (z. B. 12. Auflage S. 571) auffälligerweise das Jahr 1904 als das für die Relativitätstheorie entscheidende – also nicht wie üblich 1905, als Einstein sie in den ominösen Maiwochen angeblich entwickelte und zusammenschrieb. – 1904, wir erinnern uns, ist das Jahr, da Lindemann mit der Bemerkung 97) in Wiss. u. Hyp. seine Ankündigung machte. Und hier dürfte auch die wahre Verstrickung Röntgens in den Fall Einstein zu finden sein. Röntgen, von höchstem akademischen und medialen Einfluß, war damals an der LM-Univ. München Kollege eines anderen damaligen Schwergewichts: Ferdinand Lindemann, der zeitweise sogar den Rektorenposten innehatte. Ohne Zweifel erkannte Röntgen das bei den „Annalen“ stattgehabte Desaster; um nicht in einen sich abzeichnenden unguten Sog zu geraten, schwieg Röntgen sich zu der Affaire aus. Nur einmal ließ er zur Relativitätstheorie hintersinnig verlauten, daß er nicht begreifen könne, daß man zur Erfassung von Naturvorgängen so ganz abstrakte Methoden einsetzen müsse (die, wie Röntgen genau wußte, ein Mathematiker vielleicht beherrscht, aber gewiß nicht Einstein als mäßiger Maschinenbauabsolvent des Polytechnikums).
    Ich meine, daß Gotthard Barth sich durchaus im Klaren war, daß die von ihm aufgezeigte Röntgen-Fährte möglicherweise nicht ganz treffend ist. (Wahrscheinlich hatte Barth sich von einer eigenartigen und auffällig ausdrücklichen Bemerkung Heinrich Konens während des Dritten Reichs leiten lassen, nach welcher die Entdeckerapparate Röntgens „deutsch“ gewesen seien.) Immerhin hat Barth erahnt, jedoch noch ohne klar zu erkennen. In „Wissen im Werden“ 1975-4 auf S. 83 schrieb er: „Im Raum München müßte man wohl den einflußreichen Mann suchen, der den jungen Einstein protegierte.“ Dieser Mann war nicht Röntgen, sofern man nicht passives Schweigen über das Ungeheuerliche „Protektion“ nennen will. – Barth hätte vor das Wort „Mann“ in seinem Satz nur „Linde-“ ergänzen müssen – dann hätten wir die Lösung des Rätsels schon 1975 gehabt.

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